13. Kapitel
Explizites, implizites oder symplektisches Verfahren?
Im folgenden sollen anhand der EULER-CAUCHYschen Lösungsmethode die wesentlichen Unterschiede und Eigenschaften expliziter, impliziter bzw. symplektischer Lösungsansätze erläutert werden.Explizite Lösungsverfahren
Das im Beispiel behandelte Lösungsverfahren () ist ein explizites Verfahren. Explizit deshalb, weil die Berechnung aller Funktionswerte von jeweils nur einem bekannten Datensatz beginnend mit s0 und v0 zur Zeit t0 über si und vi zur Zeit ti erfolgt.Im streng mathematischen Sinn bedeutet das für die Lösung von Differentialgleichungen 2. Ordnung, dass die Berechnung sowohl des Weges s als auch der Geschwindigkeit v mit einem Datensatz, der von ein und demselben Zeitpunkt t stammt, erfolgt. An dem in gezeigten Programmabschnitt kann dies nachvollzogen werden. Da Weg s und Geschwindigkeit v vom selben Zeitpunkt stammen, spielt die Integrationsreihenfolge keine Rolle. Um sicher zu stellen, dass beide Integrationen mit einem vom selben Zeitpunkt stammenden Wertepaar arbeiten, wird der Wert für die Geschwindigkeit v vor der Aktualisierung der Geschwindigkeit zwischengespeichert (v_) und für die folgende Wegberechnung verwendet. Im Programmcode wird anstelle des Ausdrucks Δt der Ausdruck dt verwendet.
Abb. Implementierung des expliziten EC-Lösungsverfahrens
Wie das Beispielprogramm () demonstriert, hat das explizite Lösungsverfahren die Neigung Energie in das System zu pumpen. Es akkumuliert die Prinzip bedingten Fehler und führt so zu instabilen Lösungen.
Explizite Lösungen neigen zur Instabilität und verstoßen gegen die Erhaltungssätze
von Energie und Impuls.
Implizite Lösungsverfahren
Eine verbesserte Lösung des Integrals in sollte erreicht werden, wenn weitere Stützstellen der gesuchten Funktion in die Integration einbezogen werden. Nicht nur wie bisher am linken Rand (yi) sondern zusätzlich auch die Stützstelle yi+1 am rechten Rand des Integrationsintervalls werden herangezogen ().
Nun taucht natürlich sofort die Frage auf, woher nehmen, wenn nicht stehlen?
vi+1 ist ja noch gar nicht bekannt, das soll ja erst
berechnet werden! Und genau das ist das charakteristische an den impliziten
Lösungsverfahren!
Für eine Differentialgleichung 2. Ordnung heißt das, dass sowohl der bekannte Ort si als auch die bekannte Geschwindigkeit vi als Ausgangswerte für die Berechnung der nächsten Werte vi+1 bzw. si+1 herangezogen werden (a und b). Aber dann! Die Zuwächse an Geschwindigkeit f(si+1,vi+1)·Δt werden bereits mit den Ergebnissen dieses Schrittes berechnet:
Für eine Differentialgleichung 2. Ordnung heißt das, dass sowohl der bekannte Ort si als auch die bekannte Geschwindigkeit vi als Ausgangswerte für die Berechnung der nächsten Werte vi+1 bzw. si+1 herangezogen werden (a und b). Aber dann! Die Zuwächse an Geschwindigkeit f(si+1,vi+1)·Δt werden bereits mit den Ergebnissen dieses Schrittes berechnet:
(a)
Abb. implizites EC-Verfahren
(b)
Es wird also eine Geradengleichung zur Gewinnung des Schätzwertes angewendet, deren Ausgangspunkt der i-te Wert ist, aber die Steigung aus dem Wert von i+1 bezieht.
Wollen wir uns das mal genauer am Beispiel des aufgehängten Feder-Masse-Systems ansehen. Zunächst wird die 1. Integration ausgeführt, um so auf der Basis der noch nicht bekannten Größen vi+1 und yi+1 den neuen Geschwindigkeitswert vi+1 zu berechnen:
(a)
(b)
()
()
()
Leider sind nicht alle impliziten Gleichungen in der Praxis so einfach in eine explizite Form zu überführen. In den meisten Fällen sind die impliziten Zusammenhänge nichtlinear (z.B. tritt beim einfachen Pendel ein sinus-Abhängigkeit auf) und die lassen sich nicht so leicht umstellen.
zeigt den wesentlichen Auszug der Implementierung des impliziten EC-Lösungsverfahrens und deren ausführbares Beispiel.
Abb. Implementierung des impliziten EC-Lösungsverfahrens
Das Beispielprogramm zeigt das Verhalten eines schwingenden Systems, wenn das implizite EC-Lösungsverfahren angewendet wird. Mit den Schiebereglern können Eigenfrequenz ω0 und Dämpfung δ des Systems eingestellt werden. Mit dem Button push kann die Schrittweite der Integration gewählt werden.
Bitte einen Augenblick Geduld
während das Programm geladen wird!
während das Programm geladen wird!
Abb. Implizites Lösungsverfahren
Im Experiment erkennen wir den Unterschied zur expliziten Lösung. Die Schwingungsamplitude bleibt konstant oder verringert sich. Das bedeutet, das System nimmt mit der Zeit keine Energie auf!
Dennoch gibt es ein ABER! Der graue Graf in zeigt eine Vergleichsschwingung mit genau der Resonanzfrequenz ω0, die auch der impliziten Lösung zugrunde liegt. Es sollte also erwartet werden, dass beide Schwingungen identische Periodendauern aufweisen. Das ist aber nicht der Fall! Erst bei sehr geringen Schrittweiten verlaufen beide Schwingungen deckungsgleich. Sonst ist ein Voraneilen der impliziten Lösung zu beobachten.
So, wie unser Beispiel der hängenden Feder-Masse-Anordnung nahe legt, scheint mit dem impliziten Verfahren, außer einer stabilen Lösung, nicht viel gewonnen zu sein. Die erreichte Genauigkeit lässt auch zu wünschen übrig. Eine Verbesserung der Genauigkeit wird mit dem HEUN-Verfahren erreicht. Das implizite EC-Verfahren ist der Ursprung vieler weiterer Lösungsmethoden mit verbesserter Genauigkeit.
Implizite Lösungen sind stabil und verstoßen trotzdem gegen die Erhaltungssätze von Energie und Impuls.
Symplektische Lösungsverfahren
Im Gegensatz zu den expliziten bzw. impliziten Lösungsmethoden, die auf Differentialgleichungen beliebiger Ordnung anwendbar sind, werden die symplektischen Verfahren nur zur Lösung von Differentialgleichung 2. Ordnung herangezogen. Der Begriff symplektisch stammt aus der Geometrie und bedeutet so viel wie "schief symmetrisch". Das Prinzip beruht darauf, dass die Ortsberechnung zu einem anderen Zeitpunkt als die Geschwindigkeitsberechnung erfolgt (). Die Berechnung des neuen Ortes wird mit dem alten Ort und der neuen Geschwindigkeit berechnet:
()
- Im ersten Schritt wird aus dem Kräftegleichgewicht (der Beschleunigung) und dem Anfangswert für die Geschwindigkeit eine Funktion der Geschwindigkeit und
- im zweiten Schritt aus dieser Geschwindigkeitsfunktion mit dem Anfangswert für den Ort eine Funktion des Ortes berechnet.
Nehmen wir wieder unser Beispiel des hängenden Feder-Masse-Systems. Die zu lösende Aufgabe lautet jetzt:
()
Abb. Implementierung des symplektischen EC-Lösungsverfahrens
Auch in diesem Beispiel wird die Parametertreue überprüft. Was verstehe ich unter Parametertreue? Nun ein schwingungsfähiges System hat eine Eigenschwingung, die durch die Parameter des Systems vorgegeben ist. So z.B. wird die Eigenschwingung ω0 eines Feder-Masse-Systems durch die Federsteifigkeit n und seine Masse m bestimmt. Das Quadrat der Eigenkreisschwingung ergibt sich dann aus ω02 = n/m.
Nun ist offensichtlich, dass die erzeugte Schwingung eines zu untersuchenden Lösungsverfahrens auch diesem Maßstab entsprechen muss. Also nicht allein der Energieerhalt, sondern auch die Parametertreue zeichnet die Qualität eines Lösungsalgorithmus aus.
Und wie verhält sich nun die Lösung des symplektischen EC-Verfahrens? Urteile selbst:
Bitte einen Augenblick Geduld
während das Programm geladen wird!
während das Programm geladen wird!
Abb. Symplektisches Lösungsverfahren
Die erhaltene Zeitfunktion deckt sich mit unseren Erwartungen! Trotz verfahrensbedingter Ungenauigkeiten bleibt die Schwingungsamplitude konstant. Aber auch in diesem Fall stimmen die Frequenzen der erwarteten und die der errechnete Schwingung nicht überein! Unseren Anwendungen im Spielebereich tut dies keinen Abbruch! In den meisten Anwendungsfällen ist das symplektische EC-Verfahren das Verfahren der Wahl.
Das symplektische Verfahren ist in jedem Fall stabil trotz einfacher Implementation. Seiner Vorteile wegen ist dieses Verfahren Ursprung vieler weiterer Lösungsmethoden mit verbesserter Genauigkeit.
Symplektische Lösungen sind trotz Genauigkeitsdefiziten stabil und verstoßen nicht
gegen die Erhaltungssätze von Energie und Impuls. Die Parametertreue ist hinreichend.
In diesem Programm werden alle drei EULER-CAUCHY-Verfahren gemeinsam dargestellt
und mit einander verglichen. Mit Hilfe einer Energie- bzw. Frequenzmessung werden
die Qualitätsmerkmale vergleichbar gemacht.
()
In unsrem Beispiel bedeutet das:
()
()
()
Nun ist offensichtlich, dass die erzeugte Schwingung eines zu bewertenden Lösungsverfahrens auch in Bezug auf die Frequenz der Schwingung untersucht werden muss. Also nicht allein der Energieerhalt, sondern auch die Parametertreue zeichnet die Qualität eines Lösungsalgorithmus aus.
Hinsichtlich Stabilität unterscheiden sich die implizite und die symplektische Löschung (bei einer Dämpfung δ = 0) nicht. Anders die Parametertreue. Da ist die implizite der symplektischen Lösung überlegen, wenn die Dämpfung δ > 0 ist. Diese Aussage trifft auch für kleinere Schrittweiten zu. Der im beigefügten Programmbeispiel verwendete Frequenzmesser hat eine Beobachtungsdauer von jeweils 4 s und gibt dabei die Frequenz der zu messenden Schwingung mit einer Genauigkeit von 10-6 aus.