12. Kapitel
Analytische Lösung von Differentialgleichungen 2. Ordnung
Lösungsweg für homogene Differentialgleichungen 2. Ordnung
Mit dem Kräftegleichgewicht eines Feder-Masse-Reibungs-Systems
()
wird eine Differentialgleichung 2. Ordnung gebildet:
()
()
bzw.
()
Um mit diesem Lösungsansatz bedienen zu können, benötigen wir die erste und zweite Ableitung von , deren Herleitung unter Beachtung der Kettenregel erfolgt:
()
()
()
()
Im strengen mathematischen Sinn ist die Lösung
eine spezielle oder partikuläre Lösung, die eine
von vielen Lösungsmöglichkeiten darstellt.
Siehe dazu auch
Lineare Differentialgleichungen
Mit dem Wissen, dass die charakteristische Gleichung zwei Lösungen hat, können wir
die Lösung der DGl. allgemein angeben, indem entsprechend
erweitert wird. Das geschieht durch eine Überlagerung beider Lösungen:
Dabei spielen die beiden Konstanten A un B die gleiche
Rolle wie die Konstanten C oder K in den früheren Lösungen.
()
on/off
Wie üblich werden in einem zweiten Schritt die Konstanten mittels der Anfangsbedingungen für Ort und Geschwindigkeit auf den konkreten Fall abgestimmt.
Die Einarbeitung der Anfangsbedingungen läuft nun etwas komplizierter ab, als wir das bisher kennen gelernt haben. Da infolge des gewählten Lösungsansatzes die Lösung der Differentialgleichung sofort auf die Zeitfunktion der Ortskoordinate () geführt hat, müssen wir, um die Anfangsgeschwindigkeit einzuarbeiten, die Zeitfunktion der Geschwindigkeit herleiten. Dies geschieht durch Differentiation der Ortskomponente:
()
(a)
(b)
(a)
(b)
()
()
worin
()
Untersuchen wir mal, welche Werte das Argument annehmen kann und welche Wurzeln dazu gehören:
1. Fall:
Das Argument ist positiv und beide Lösungen sind stets negativ.
2. Fall:
Das Argument ist negativ. Die Wurzel wird imaginär und es liegen
zwei komplexe Nullstellen vor. Deren Realteil stets negative Werte hat.
3. Fall:
Das Argument ist exakt Null. Es liegt eine doppelte Nullstelle
vor, die stets negative Werte hat.
Zusammen gefasst:
()
Nehmen wir uns die drei Fälle der Reihe nach vor. Der Einfachheit halber wählen wir die Startgeschwindigkeit v0 = 0. Das vereinfachte die Rechnung, ist aber nicht zwingend!
1. Fall: Einsetzen beider Lösungen in und Vereinfachen führt auf
()
Das Zeitverhalten eines gespannten Feder-Masse-Reibungs-Systems mit diesen Charakteristika ist ein einfaches exponentielles Ausschleichen nach dem Loslassen. Deshalb wird dieser Fall auch Kriech-Fall genannt.
2. Fall: Dieser Fall ist der interessanteste! Einsetzen der komplexen Lösung in ergibt
()
Die EULERsche-Formel
stellt den Zusammenhang zwischen einer Exponential-Funktion mit
imaginärem Argument und den trigonometrischen
Funktionen her. So erklären sich auch die Zusammenhänge zwischen den
hyperbolicus- und den trigonometrischen-Funktionen:
Werden jetzt die Wurzelargumente in aus
dem 1. Fall durch die des 2. Falles ersetzt, dann
wird zu
Für imaginäre Argumente werden nämlich die Hyperbolicus-Funktionen
sinh(x) und cosh(x) "fast" zu den ganz gewöhnlichen
Winkelfunktionen sin(x) und cos(x). Grundlage hierfür
bildet die EULERsche Formel.
on/off
Und damit erschließt sich auch die physikalische Bedeutung der verwendeten Abkürzungen (). Stell Dir vor, die Größe δ hat einen sehr kleinen Wert. Dann können in einige Summanden wegfallen, da sie viel kleiner als die anderen Summanden sind. Übrig bleibt dann
()
die Gleichung für eine gedämpfte, sinus-förmige Schwingung. Daher
ist die Wahl der Bezeichnungen naheliegend:
- δ die Dämpfung gemessen in s-1,
- ω0 die Kreisresonanzfrequenz gemessen in s-1
- f0 = ω0/2π die Eigen- oder Resonanzfrequenz gemessen in Hz bzw.
3. Fall: Dieser Fall ist wegen der doppelten Nullstelle ein Sonderfall. Hierfür ist ein anderer Lösungsansatz als ihn vorschlägt, erforderlich. In der Literatur wird ein spezieller Ansatz gezeigt, der ebenfalls zwei linear unabhängige Gleichungen zur Einarbeitung der Anfangsbedingungen erzeugt werden:
()
()
(a)
(b)
()
Dieser Fall wird aperiodischer Grenzfall genannt. Das Zeitverhalten unterscheidet sich kaum von dem des 1. Falles. Bei ganz genauem Hinschauen ist ein leichtes Unterschleifen vor dem finalen Ausschleichen zu beobachten.
Im Programmbeispiel kann die Bewegung eines Feder-Masse-Reibungs-Systems als Zeitfunktion nachvollzogen werden. Der blaue Graph stellt die Bewegung des Verknüpfungspunktes zwischen Federende und Masse dar. Der graue Graph zeigt den Dämpfungsverlauf, also den Abbau der initialen Energie des Systems.
Die beiden Schieberegler gestatten die Eingabe der Resonanzfrequenz ω0 und der Dämpfung δ. Unterhalb des START-Buttons wird angezeigt, zu welchem Fall die jeweilige Kombination von ω0 und δ führt.
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Abb. Lösungen der DGl. 2. Ordnung
Soweit die Lösung ohne Störfunktion, die die Lösung der homogenen Differentialgleichung mit eingearbeiteten Anfangsbedingungen darstellt. Wie gehen wir aber vor, wenn das System von außen, z.B. eine sinusförmige Anregung gestört wird. Diese Aufgabe führt auf die Aufstellung und Lösung einer inhomogenen Differentialgleichung.
Lösungsweg für inhomogene Differentialgleichungen 2. Ordnung
Für die Lösung der inhomogenen Aufgabe einer DGl. 2. Ordnung ist die Methode der Variation der Konstanten aus Aufwandsgründen nicht geeignet. Eine alternative Lösungsmethode bietet sich an, wenn eine spezielle Lösung (auch partikuläre Lösung genannt) der inhomogenen DGl bekannt ist. Gibt es eine solche, kann die Lösung der inhomogenen DGl durch die Überlagerung von homogener und spezieller Lösung gefunden werden ()
()
Lösungsweg für eine sprunghafte Störung
Die in gezeigte Anordnung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Feder vor dem Zeitpunkt
t = 0 infolge der Fixierung der Masse m entspannt ist. D.h. die aktuelle
Federlänge ist gleich der Ruhefederlänge l = l0. Und der Nullpunkt unseres Koordinatensystems
wird in den Ruhepunkt der Masse gelegt.
Im Zeitpunkt t = 0 wird die Fixierung der Masse aufgehoben und die Gravitationskraft kann auf die Masse wirken. Damit lautet die nunmehr inhomogene Differentialgleichung
worin
die Dämpfung und
die Eigenfrequenz der Anordnung darstellen.
Wir wissen, dass sich die Feder des Feder-Masse-Systems infolge der Gravitationswirkung ausdehnt. Dabei stellt sich nach längerer Zeit eine Gleichgewicht zwischen Feder- und Gravitationskraft ein:
Damit beträgt die Längenänderung nach Einsetzen der Gravitationswirkung
Im Zeitpunkt t = 0 wird die Fixierung der Masse aufgehoben und die Gravitationskraft kann auf die Masse wirken. Damit lautet die nunmehr inhomogene Differentialgleichung
()
Wir wissen, dass sich die Feder des Feder-Masse-Systems infolge der Gravitationswirkung ausdehnt. Dabei stellt sich nach längerer Zeit eine Gleichgewicht zwischen Feder- und Gravitationskraft ein:
()
()
Abb. vertikale Feder-Masse-Reibung Anordnung
Genau dieser Wert Δl entspricht der Auslenkung y0 der homogenen DGl
(siehe und setze y0 statt s0!).
Zur Findung einer partikulären Lösung verwenden wir bei dieser Störung den Ansatz einer Potenzreihe
Eine Ansatzfunktion für die partikuläre Lösung muss die Differentialgleichung erfüllen. Daher sollte der Grad
n der Ansatzfunktion mit dem Grad der Störfunktion überein stimmen. In unserem Fall
genügt also der Ansatz mit dem Grad n = 0. Alle Ableitungen von yp(t)
verschwinden, so dass das Einsetzen in ergibt, dass
Die partikuläre Lösung also
lautet.
Aus Gründen der Einfachheit verwenden wir für die Überlagerung die homogene Lösung nach . Diese beschreibt ein schwingfähiges System mit relativ geringer Dämpfung. Wegen der geringen Dämpfung können die Ausdrücke unter der Wurzel von vereinfacht werden, weil der Anteil der sinus-förmigen Schwingung gegenüber dem der cosinus-förmigen vernachlässigt werden kann.
So erhalten wir
Die Überlagerung der homogenen mit der partikulären Lösung demonstriert . Es wird
deutlich, dass die homogene Lösung den flüchtigen Zustand des Systems - das Ausschwingen nach dem Sprung - beschreibt.
Im Gegensatz dazu stellt die partikuläre Lösung den sog. eingeschwungenen Zustand, den das System stationär
einnimmt, dar.
Zur Findung einer partikulären Lösung verwenden wir bei dieser Störung den Ansatz einer Potenzreihe
()
()
()
Aus Gründen der Einfachheit verwenden wir für die Überlagerung die homogene Lösung nach . Diese beschreibt ein schwingfähiges System mit relativ geringer Dämpfung. Wegen der geringen Dämpfung können die Ausdrücke unter der Wurzel von vereinfacht werden, weil der Anteil der sinus-förmigen Schwingung gegenüber dem der cosinus-förmigen vernachlässigt werden kann.
So erhalten wir
()
Abb. Überlagerung homogener und partikulärer Lösung
Lösungsweg für eine sinus-förmige Anregung
Nehmen wir an, die Störfunktion oder, hier passender, Anregungsfunktion sei sinus-förmig und durch ihre Orts-Zeit-Funktion gegeben:
worin ê die Spitzenamplitude des Weges der Anregungsfunktion ist. Durch zweimaliges
Differenzieren der Orts-Zeit-Funktion erhalten wir dann die Spitzenbeschleunigung â:
also ist
ê und s0 sind verschiedene Größen, auch wenn beide
einen Weg beschreiben! Während s0 die Feder-Auslenkung bei t = 0 bedeutet, ist
ê die Schwingungsamplitude der Anregungsfunktion.
Bei der Lösung der inhomogenen Aufgabe wollen wir uns auf den Fall einer
sinus-förmigen Anregung beschränken. gibt
die inhomogenen DGl wider, wobei â Spitzenbeschleunigung und ω die
Frequenz der Anregungsschwingung, δ die Dämpfung und
ω0 die Eigenfrequenz des Feder-Masse-Systems darstellen:
Wie findet man nun eine spezielle Lösung? Wir gehen davon aus, dass ein System, das sinus-förmig angeregt wird, auch sinus-förmig antwortet.
()
Wie findet man nun eine spezielle Lösung? Wir gehen davon aus, dass ein System, das sinus-förmig angeregt wird, auch sinus-förmig antwortet.
on/off
Daher versuchen wir den folgenden Ansatz:
()
Da wir nicht wissen, ob die Lösung richtiger durch eine sinus- oder cosinus-Funktion beschrieben werden kann, verwenden wir beide Funktionen im Ansatz. Welche der beiden Funktionen am Ende die richtige ist, oder zu welchem Bruchteil eingeht, überlassen wir den Konstanten C und D, die natürlich im Folgenden noch zu bestimmen sind.
Dies geschieht, indem wir den Lösungsansatz und seine Ableitungen
()
in die einsetzen:
()
Ein Koeffizientenvergleich nach sin(ω·t) bzw. cos(ω·t) liefert uns die erforderlichen zwei Gleichungen zur Bestimmung der zwei Unbekannten C und D:
()
Vereinfachen und Ordnen
()
Nach der Lösung des Gleichungssystems stehen die beiden Konstanten C und Dzur Verfügung und werden in eingesetzt:
()
Damit haben wir nun eine spezielle Lösung der inhomogenen Aufgabe gefunden. Nun fehlt nur noch die Überlagerung, d.h. Addition, mit der homogenen Lösung, die uns aber schon aus den Gleichungen bekannt ist:
()
Um sich das Verhalten eines Systems im Überblick zu verschaffen, ist die Betrachtung der sog. Übertragungsfunktion Ü interessant. Sie stellt das Verhältnis der Schwingungsamplitude des Systems zur Anregungsamplitude dar ():
()
Sehr gut ist hier die Resonanzüberhöhung zu verfolgen. Kommt nämlich die
Anregungsfrequenz ω in die Nähe der Eigenfrequenz des Systems
ω0, dann wird der Nenner sehr klein, was dann zu
einem großen Quotienten führt. Steigt aber die Anregungsfrequenz deutlich über
die Eigenfrequenz, dann wird der Nenner sehr groß, was dann zu einer sehr kleinen
Amplitude führt. Das ist das typische Verhalten eines
Tiefpasses.
Es zeigt sich, dass die Resonanzüberhöhung umso größer ist, je kleiner die Dämpfung δ ist.
Es zeigt sich, dass die Resonanzüberhöhung umso größer ist, je kleiner die Dämpfung δ ist.
Abb. Übertragungsverhalten