Advanced Games Physics
7. Kapitel

Der dezentrale elastische Stoß

Die Behandlung des dezentralen, elastischen Stoßes

Im Gegensatz zum zentralen Stoß, für dessen Lösung zwei Bedingungen für zwei Unbekannte existieren, ist dies beim dezentralen elastischen Stoß nicht der Fall. zeigt, dass das Geschehen vor dem Stoß durch die vier Geschwindigkeitskomponenten v 1 x ; v 1 y für das 1. Objekt sowie v 2 x ; v 2 y für das 2. Objekt und den Stoßwinkel β, unter dem die beiden Objekte zusammenstoßen, vollständig beschrieben wird.
Anders die Situation nach dem Stoß. Für die Berechnung der vier Bewegungskomponenten v' 1 x ; v' 1 y für das 1. Objekt sowie v' 2 x ; v' 2 y nach dem Stoß stehen aber weiterhin nur zwei Bedingungen (Energie- und Impulserhaltung) zur Verfügung.
Dezentraler Stoß

Abb. Dezentraler Stoß

Nach mathematischem Verständnis sollte es also unmöglich sein, die Bewegungskomponenten nach dem Stoß physikalisch richtig zu ermitteln. Wie das doch und unter welchen einschränkenden Bedingungen möglich ist, und welche Kompromisse zu schließen sind, um wenigstens den optischen Eindruck einer korrekten Behandlung des Problems zu erzielen, sollen die folgenden Kapitel zeigen.

Parallel verschobene Bewegungslinien

Betrachten wir zunächst eine einfache nichtzentrale Stoßsituation. zeigt eine Bewegung, bei der die Bahnen der sich stoßenden Objekte vor dem Stoß parallel, aber um den Abstand h versetzt, verlaufen. Die Bahnen verlaufen also nicht durch die Schwerpunkte der beiden Körper! Der Stoß kann also nicht zentral verlaufen.

Wir setzen wieder voraus, dass das Experiment unter idealen Bedingungen statt findet. Es gibt also weder Reibung noch Inhomogenitäten in den Kugeln! Daher sind Schwerpunkt und Mittelpunkt der Objekte deckungsgleich! Eine Rotation der Kugeln ist folglich stets ausgeschlossen.
Dezentraler Stoß

Abb. Dezentraler Stoß

Um die dezentrale Stoß-Aufgabe zu lösen, zerlegen wir die parallel verlaufenden Geschwindigkeitsbahnen in je zwei Komponenten:

In ist das für die Geschwindigkeit v1 des ersten Objektes dargestellt. Danach wird die Geschwindigkeit v1 in eine zentrale Komponente vZ1 und eine tangentiale Komponente vT1 zerlegt.
Was bringt uns das?
  • die zentrale Komponente können wir wie einen zentralen Stoß behandeln, wie wir das bereits besprochen haben,
  • hingegen nimmt die tangentiale Komponente überhaupt nicht am Stoß teil. Sie ist nach dem Stoß genau so groß wie vor dem Stoß!
Komponenten des dezentralen Stoßes

Abb. Komponenten des dezentralen Stoßes

Für die Berechnung der Geschwindig­keits­komponenten benötigen wir den Winkel β unter dem beide Objekte aufeinander prallen. Im Augenblick des Zusammenstoßes sind die Mittelpunkte beider Objekte genau um die Summe der Objektradien r1 + r2 von einander entfernt. Daher ergibt sich der Stoßwinkel aus dem Verhältnis des Bahnversatzes h (Gegenkathete) zur Summe der Objektradien (Hypothenuse).
()
Formel
zum Stoßwinkel

Abb. zum Stoßwinkel

Mit Hilfe der arcsin() könnte der Stoßwinkel β berechnet werden. Doch diese Mühe ist nicht erforderlich, benötigen wir doch den sin(β) und den cos(β) für die Ermittlung aller Geschwindig­keits­kompo­nenten gemäß .

Der cos(β) ist zunächst nicht bekannt, kann jedoch über die Beziehung
()
Formel
mit dem Ergebnis von leicht gewonnen werden.
Geistesblitz
on/off


Im nächsten Schritt führen wir die Komponentenzerlegung nach durch. Dabei betrachten wir die Geschwindigkeit v1 als Resultierende der Tangentialgeschwindigkeit v1T und der Zentralgeschwindigkeit v1Z. v1 ist bekannt und stellt die Hypothenuse im Geschwindigkeitsparallelogramm dar. v1T ist die Gegenkathete und v1Z die Ankathete zum Winkel β. Mittels der trigonometrischen Beziehungen erhalten wir:
()
Formel
analog gilt für v2:
()
Formel
 Komponentenzerlegung

Abb. Komponentenzerlegung

Jetzt lassen wir die Komponenten von v1 und v2 mit einander wechselwirken. Für die Zentral­geschwindig­keiten gelten die Gesetze des zentralen Stoßes, die Tangentialkomponenten bleiben unverändert erhalten:
()
Formel
und
()
Formel
Damit kennen wir nun die Komponenten v'1T und v'1Z bzw. v'2T und v'2Z. Zwecks Darstellung im x-y-Koordinatensystem ist eine Komponenten­zusammen­fassung entsprechend notwendig.

Beide Komponenten v'1T und v'1Z haben jeweils Geschwindigkeits­komponenten v'1Tx und v'1Zx in x-Richtung sowie v'1Ty und v'1Zy in y-Richtung. Diese müssen nun Vorzeichen richtig addiert werden:
()
Formel
und
()
Formel
 Komponentenzusammfügung

Abb. Berechnung der vx- bzw. vy-Komponenten

Für die Gewinnung dieser Komponenten wenden wir wieder die trigonometrischen Beziehungen an und erhalten so die endgültigen Geschwindigkeitswerte für das 1. Objekt:
()
Formel
und analog für das 2. Objekt:
()
Formel

Im Beispielprogramm werden die Verhältnisse beim dezentralen Stoß behandelt. Beide Kugeln können mit der Maus an beliebige y-Positionen verschoben bzw. in ihrer Größe (d.h. Masse) verändert werden. Mit dem Schieberegler r1/r2!
wird das Masseverhältnis der beiden Kugeln beeinflusst.
Die Bewegungsrichtungen verlaufen stets parallel zur x-Achse.
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