Advanced Games Physics
7. Kapitel

Rückstoß - Wechselwirkung beschleunigter Objekte

Zum Themenkreis "Rückstoß - Wechselwirkung beschleunigter Objekte" gehört natürlich auch der Raketenantrieb, der auf dem Rückstoßprinzip beruht. Wegen seiner Nähe zu den kosmischen Aufgaben wird dieses Thema unter der Überschrift Raketenantrieb im Kapitel Kosmische Dimensionen behandelt.

Geschossrückstoß

Jedermann weiß, dass es beim Abfeuern eines Geschosses einen spürbaren Rückstoß gibt. Physikalisch ist das nicht verwunderlich, denn wie wir wissen, gibt es, actio = reactio, nach dem 3. Newtonschen Axiom zu jeder Kraft eine gleich große Gegenkraft. Da nun aber die Geschossmasse meist viel kleiner ist als die Masse des Schießgeräts, führt die Reaktion - also der Rückstoß - trotz großer Geschossgeschwindigkeit zu einer relativ kleinen Geschwindigkeit des Rückstoßes! Wollen wir sehen, ob sich dieses Verhalten quantitativ klären lässt.

Nehmen wir mal an, dass die Kanone in mit einer Pulverladung geladen ist. Diese Ladung habe die Energie WLadung. Solange die Kanone nicht gezündet wird, ist dies eine potentielle Energie. Wird die Kanone aber abgefeuert, wird die potentielle Energie der Ladung frei gesetzt und in kinetische Energie umgewandelt. Diese teilt sich nun auf die gewünschte Geschossbewegung und die weniger gewünschte Rückstoßbewegung der Kanone auf:
Geschoss und Kanone

Abb. Geschoss und Kanone

()
Formel
Sind die Massen der Kugel m1 und der Kanone m2 bekannt, dann kann so geschrieben werden:
()
Formel
Da auch hier der Impulserhaltungssatz gilt, müssen die Impulse der Kugel p1 und der Kanone p2 einander gleich sein. Es gilt also:
()
Formel
Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass die Geschwindigkeiten der Kugel v1 und der Kanone v2 in einem festen Verhältnis, welches durch das Verhältnis der Massen bestimmt ist, zueinander stehen:
()
Formel
Somit können wir eine der beiden unbekannten Geschwindigkeiten in eliminieren:
()
Formel
Auflösen nach v1 ergibt:
()
Formel
und daraus folgt unter Verwendung von :
()
Formel
Gäbe es eine Kanone, deren Masse m2 unendlich groß wäre, gäbe es keinen Rückstoß und die gesamte Energie der Ladung würde der Geschoss­geschwindigkeit zu gute kommen. Diese maximal erreichbare Geschwindigkeit wird Mündungs­geschwindigkeit v genannt. Die Mündungs­geschwindigkeit ist ein Parameter, der vom Waffenhersteller angegeben wird. Ist diese bekannt, können Geschoss­geschwindigkeit v1 und Rückstoß v2 berechnet werden.
Da:
()
Formel
ergeben sich die beiden Geschwin­dig­keiten zu:
()
Formel
Geistesblitz
on/off



Das hier vorgestellte Beispielprogramm simuliert eine Kanone, die beweglich auf einer Lafette befestigt ist. Mit dem blauen Pfeil kannst Du Richtung und Betrag der Mündungsgeschwindigkeit verändern. Mit dem START-Button wird der Schuss ausgelöst. Um die Sichtbarkeit der Bewegungen zu verbessern, wird hier mit 10-facher Zeitlupe gearbeitet.
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Kraftwirkung strömender Flüssigkeiten

Sicher hast Du schon beobachtet, was mit einem Gartenschlauch passiert, wenn der Wasserhahn aufgedreht wird, der Schlauch aber nicht fest gehalten wird? Richtig, der Schlauch saust wie irre herum und bespritzt alle Herumstehenden mit Wasser. Offenbar wirkt hier wieder eine Kraft, hervorgerufen durch einen dauerhaften Rückstoß.

Es gilt wieder der Impulserhaltungssatz, diesmal in der Form Impuls = Kraftstoß.
()
Formel
Wir verwenden sinnvoller Weise wieder die differentielle Darstellung, da wir uns den Wasserstrahl als eine stete Aufeinanderfolge von Masseelementen dm, die jedes für sich einen Impuls dm·v aufweisen, vorstellen (). Verlässt das Masseelement dm die Düse, so erzeugt es einen Kraftstoß F·dt, der jeweils nur für die Zeitspanne dt wirkt, in entgegengesetzte Richtung. Lösen wir nach der Kraft auf, so erhalten wir:
()
Formel
Feuerwehrspritze

Abb. Feuerwehrspritze

Aus geht hervor, dass das Masseelement dm sich als Produkt aus dem Volumen eines Zylinders der Länge ds und der Dichte ρ des strömenden Mediums hervorgeht.
()
Formel
daher
()
Formel
da nun aber ds/dt gleich der Geschwindigkeit v des strömenden Mediums ist, gilt
()
Formel
meist wird aber vom Hersteller nicht die Strömungsgeschwindigkeit v, sondern der Volumenstrom q, das ist das strömende Volumen je Zeiteinheit, angegeben. Mit
()
Formel
wird der Zusammenhang zur Strömungsgeschwindigkeit v hergestellt. Damit lautet nun die Rückstoßkraft F einer strömenden Flüssigkeit:
()
Formel


Eine Feuerwehrspritze wird durch eine Motorpumpe gespeist. Welche Leistung P muss der Motor erbringen, um einen Volumenstrom q bereit zu stellen?

()
Formel
Betrachten wir zunächst die kinetische Energie W, die für die Beschleunigung jedes Masseelements dm erforderlich ist.
()
Formel
Diese Beschleunigung erfährt jedes Masseelement. Daher berechnen wir die erforderliche Leistung als aufgewendete Energie dW je Zeiteinheit dt. Wir dividieren also auf beiden Seiten durch dt und erhalten einen Ausdruck für die Leistung:
()
Formel
und stellen wieder den Bezug zum Volumenstrom q her und erhalten so einen Ausdruck für die erforderliche Pumpenleistung (die natürlich idealisiert ist, da Wirkungsgrad und Reibungsverluste nicht berücksichtigt worden sind!):
()
Formel
Geistesblitz
on/off


Das Beispielprogramm zeigt die Rückstoßwirkung eines Wasserstrahls, die bei einer Löscheinrichtung zu erwarten ist. Mit dem Griff, der am Strahlrohr befestigt ist, kannst Du die Richtung und die Mündungsgeschwindigkeit des Wasserstrahls einstellen. Zu beobachten ist, wie die Strahlkraft das Strahlrohr zurück drückt.
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Hinweis: Für die Darstellung eines Wasserstrahls ist es nicht ausreichend, eine gekrümmte Linie zu verwenden, da der Strahl bei Bewegung des Strahlrohrs auch reißen kann. Deshalb wird im Programmbeispiel der Wasserstrahl durch ein Partikelsystem bestehend aus 100 länglichen Partikeln, den Wassertropfen, gebildet. Zweckmäßig werden hierfür Ellipsen konstanter Höhe (entspricht dem Strahldurchmesser), aber variabler Länge, die proportional zur Strahlgeschwindigkeit verändert werden, verwendet. So wird gewährleistet, dass bei konstanten Strahlbedingungen (Winkel und Strömungsgeschwindigkeit) ein kontinuierlicher Strahl zu sehen ist. Gibt es jedoch schnelle Änderungen der Parameter, reißt der Strahl - wie beim natürlichen Vorbild auch - auseinander.
Um die Elleipsen physikalisch korrekt zu bewegen, sind ebenfalls 100 Differentialgleichungen zu lösen. Denn hat der Wassertropfen einmal das Strahlrohr verlassen, dann wirken die NEWTONschen Gesetze separat auf jeden Tropfen!