Advanced Games Physics
8. Kapitel

Federnd gelagerter Stab

Bewegung eines federnd gelagerten Stabes

Die in gezeigte Anordnung ist typisch für alle Fahrzeuge mit zwei oder mehr Rädern, z.B. ein Motorrad. Ersatzweise werden die Fahrzeugaufbauten durch einen Körper der Länge b, der durch seine Masse m und sein Trägheitsmoment J charakterisiert ist, dargestellt. Wichtig für Fahrzeuge ist die Federung, die hier durch zwei gleichartige Federn mit der Steifigkeit n, der Ruhefederlänge l0 und der Dämpfung dargestellt wird.

Physikalisch gesehen handelt es sich hier um einen Körper mit einer freien Achse, die logischer Weise durch den Schwerpunkt S geht, und um die eine Drehung stattfinden kann. Bewegt sich das Fahrzeug in horizontale Richtung, werden infolge der Unebenheiten des Weges neben der Gewichtskraft (ausgeübt durch die Masse des Fahrzeuges) weitere, dynamische Kräfte (F1 und F2) über die Federung auf den Körper einwirken.
In unserem Beispiel werden wir die Wirkung der Gewichtskraft nicht weiter verfolgen, da wir davon ausgehen können, dass das Fahrzeug im Normalzustand auf seinen Rädern steht. D.h. die Federn befinden sich stets in einem statisch belasteten Zustand. Daher ist es berechtigt, die Gewichtskraft einfach der Ruhefederlänge l0 zuzuschlagen.
 Zweifach federnd gelagerter Stab

Abb. Zweifach federnd gelagerter Stab

Zur Aufstellung der Differentialgleichung sind hier zwei Gleichgewichte zu berücksichtigen:
  1. das Kräftegleichgewicht
    ()
    0 = F T + F R + F F

    das sich auf die als im Schwerpunkt S konzentrierte Punktmasse m bezieht. Und

  2. das Momentengleichgewicht
    ()
    Formel
In der weiteren Betrachtung wollen wir die stets vorhandene Reibung zunächst unberücksichtigt lassen, weil die Zuordnung der Reibung zu einem bestimmten Element, z.B. einer Feder, noch nicht sinnvoll möglich ist. Wir werden später darauf zurück kommen.
Unter dieser Vorraussetzung wird das Kräftegleichgewicht () nur noch durch die Massenträgheit und die Federkräfte bestimmt:
()
Formel
worin
()
Formel
Koordinaten des zweifach gelagerten Stabes

Abb. Koordinaten des zweifach gelagerten Stabes

die effektiven Längenänderungen der Federn sind. Diese setzen sich aus der Differenz der y-Koordinaten der oberen und unteren Befestigung abzüglich der Ruhefederlängen l0 (die bereits die statische Gewichtskraft beinhalten).
Unter Berücksichtigung, dass der Schwerpunkt S eines homogenen Stabes mit konstantem Querschnitt genau in der Mitte zwischen den symmetrische angeordneten Befestigungspunkten der Federn liegt, ist
()
Formel
zweimal nach der Zeit differenzieren und in einsetzen führt auf:
()
Formel
und damit auf eine Gleichung für die oberen Befestigungspunkte der beiden Federn.
Das Gleichgewicht der Drehmomente () ergibt sich aus den angreifenden Federkräften F1 und F2 multipliziert mit dem Abstand R der Angriffspunkte vom Schwerpunkt S sowie dem Trägheitsmoment des Stabes:
()
Formel
Die Federkräfte F1 und F2 wiederum ergeben sich aus den Änderungen der Federlängen Δy1 und Δy2.
Jetzt suchen wir noch einen Zusammenhang zwischen Ortskoordinaten y1 und y2 und dem Winkel φ. Der ist bei kleinen Winkeln φ gegeben durch:
()
Formel
Werden beide Gleichungen von einander subtrahiert, erhalten wir den gesuchten Zusammenhang:
()
Formel
Zweimaliges Differenzieren nach der Zeit und Einsetzen in eliminiert den Winkel φ und führt auf eine Gleichung, die nur noch die Ortskoordinaten und ihre zweiten Ableitungen beinhaltet:
()
Formel
Formen wir die Gleichungen und so um, dass die zweiten Ableitungen der Ortskoordinaten auf einer Gleichungsseite zusammen gefasst vorliegen und ersetzen wir den Quotienten n/m in bekannter Weise () durch das Quadrat der Eigenfrequenz ω02 des Feder-Masse-Systems erhalten wir ein System verkoppelter Differentialgleichungen bestehend aus zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten:
(a)
Formel
worin
Formel
und
(b)
Formel
Mit Hilfe der CRAMERschen Regel kann dieses Gleichungssystem elegant gelöst werden. Beispielhaft sei dies hier für y · · 1 ausgeführt.
()
Formel
So erhalten wir für
(a)
Formel
und analog dazu für
(b)
Formel
Mit den Gleichungen a und b liegt ein System gekoppelter Differentialgleichungen vor. D.h. beide Gleichungen sind, obwohl die beiden 2. Ableitungen der Ortskoordinaten fein säuberlich getrennt werden konnten, nicht unabhängig von einander, sind doch die Änderungen der Federlängen Δy1 und Δy2 beider Ortskoordinaten in jeweils einer Differentialgleichung vorhanden. Hierfür gibt es geeignete Lösungsmethoden.

Jetzt ist es an der Zeit über die Dämpfung des Systems nachzudenken. So wie das durch nahe gelegt wird, sind Feder und Stoßdämpfer eine bauliche Einheit, folglich sollte die Dämpfung mathematisch auch in die Gleichung eingehen, die für die jeweilige Ortskoordinate zuständig ist. Mit der Dämpfung 2 δ = r m (siehe ) die proportional der Geschwindigkeit (STOKESsche Reibung) wirkt, lauten die endgültigen Differentialgleichungen:
(a)
Formel
und
(b)
Formel


Die Implementation verkoppelter Differentialgleichungen stellt erhöhte Anforderungen an den numerischen Lösungsalgorithmus der DGln. Das einfache symplektische EULER-CAUCHY-Verfahren ist für diesen Aufgabentyp meist zu ungenau und führt bei geringen Dämpfungswerten bzw. hohen Eigenfrequenzen zu Instabilitäten. D.h. die Schwingungsamplituden wachsen unter diesen Umständen unbegrenzt. Deshalb sollte hier der genauere RUNGE-KUTTA-Algorithmus angewendet werden.

Das Beispielprogramm zeigt einen Wagen, dessen Räder bzw. Federn im Abstand R vom Schwerpunkt S angebracht sind. Der Abstand R kann mittels Schieberegler in den Grenzen der halben Stablänge b verändert werden. Ebenfalls verändert werden können Dämpfung und Eigenfrequenz der Feder-Masse-Anordnung.
Mit dem Button "Random/Ramp" kann zwischen zwei Wegprofilen gewählt werden.

download processing
download p5.js
run program
Nach dem Start fährt der Wagen mit konstanter Geschwindigkeit vx über den Untergrund. Dieser kann entweder eine Schwelle oder ein zufälliges Wegprofil aufweisen.
Das Beispielprogramm ist in seinen Parametern so limitiert, dass Instabilitäten trotz der Verwendung des einfachen EULER-CAUCHY -Algorithmus nicht auftreten können.

Ergebnisdiskussion: Das Verhalten eines federnd gelagerten Balkens ist deutlich unterschiedlich zu einem einfachen Feder-Masse-System. Auch hier ist die dämpfende Wirkung der Federung auf die Bewegung des Schwerpunktes zu beobachten, aber es tritt eine Kombination aus Nick- und Hubbewegung auf. Sind die Räder weit vom Schwerpunkt entfernt überwiegt die Nickbewegung, sind sie dagegen nah bei einander überwiegt die Hubbewegung.