8. Kapitel
Der dezentrale Stoß an beliebig geformten Objekten
Wechselwirkung von Stoß und Drehimpuls
Vereinfachte Aufgabe
Wir stellen uns jetzt vor, dass wir uns in einer Raumstation in der Schwerelosigkeit befinden. In der Station schwebt ein dünner Stab, nirgendwo befestigt. Ein Astronaut wirft nun eine Kugel nach dem frei schwebenden Stab und trifft diesen in einem Abstand h vom Schwerpunkt S des Stabes ().
Da der Stab frei schwebt, wird sich der Stab bei einer Rotation um seinen
Schwerpunkt S drehen. Somit handelt es sich bei der Drehachse um
eine freie Achse.
Zu Beginn des Experiments ist der Stab relativ zur Raumstation in Ruhe, er bewegt sich also nicht translatorisch, d.h. v2 = 0, und er dreht sich auch nicht um die freie Achse, d.h. ω = 0. Der Stab habe eine Masse m2 sowie das Trägheitsmoment J, während die Kugel die Masse m1 habe.
Wie erhalten wir jetzt die Bewegungsgleichungen für den Stab und die Kugel nach dem Zusammenprall beider? Dazu schauen wir uns zunächst die Erhaltungssätze für Impuls und Drehimpuls an. Im Kapitel Zentraler elastischer Stoß werden die physikalischen Grundlagen des Stoßes ausführlich besprochen, deshalb werden hier nur die wichtigsten Schritte dargelegt. Beginnen wir mit den Impulserhaltungssätzen:
Zu Beginn des Experiments ist der Stab relativ zur Raumstation in Ruhe, er bewegt sich also nicht translatorisch, d.h. v2 = 0, und er dreht sich auch nicht um die freie Achse, d.h. ω = 0. Der Stab habe eine Masse m2 sowie das Trägheitsmoment J, während die Kugel die Masse m1 habe.
Wie erhalten wir jetzt die Bewegungsgleichungen für den Stab und die Kugel nach dem Zusammenprall beider? Dazu schauen wir uns zunächst die Erhaltungssätze für Impuls und Drehimpuls an. Im Kapitel Zentraler elastischer Stoß werden die physikalischen Grundlagen des Stoßes ausführlich besprochen, deshalb werden hier nur die wichtigsten Schritte dargelegt. Beginnen wir mit den Impulserhaltungssätzen:
Abb. Impulserhaltung beim dezentralen Stoß
-
Erhaltung des translatorischen Impulses: Da der Stab vor dem Stoß in Ruhe sein
soll, ist der Impuls vor dem Stoß nur durch das Produkt aus Masse und
Geschwindigkeit m1·v1 der Kugel
bestimmt. Nach dem Stoß, gekennzeichnet durch hochgesetzte Kommas ('), bewegen
sich sowohl die Kugel als auch der Stab, deshalb rührt der Gesamtimpuls nach dem
Stoß von beiden Körpern her:
()
-
Erhaltung des Drehimpulses: Im Augenblick des Stoßes trifft die
Kugel den Stab im Abstand h vom Schwerpunkt. Gemäß
ist der Drehimpuls L gleich dem
translatorischen Impuls p multipliziert mit dem "Hebelarm"
h. Auch der Drehimpuls unterliegt der Erhaltung, d.h. nach dem
Stoß muss die Summe aller Drehimpulse gleich dem Drehimpuls vor dem Stoß sein:
()
-
Erhaltung der Energie: Besagt in diesem Fall, dass die Summe aller kinetischen
Energien vor dem Stoß Wkin gleich der Summe der
kinetischen Energien W'kin nach dem Stoß sein muss:
()
()
()
()
Schließlich erhalten wir die Gleichungen für die gesuchten Größen nach dem Stoß:
()
()
()
Das Beispielprogramm vereinfacht das Experiment ganz stark. Es werden der Stoß und seine Folgen nur unmittelbar verfolgt. Etwaige weitere Stöße werden, der Einfachheit und Übersichtlichkeit des Programms geschuldet, nicht weiter behandelt, so kann es nach dem Stoß zu Überdeckungen von Stab und Kugel kommen.
Vor dem Start kannst Du per Drag'ndrop die Kugel vertikal verschieben. Durch Anfassen des Kugelrandes mit der Maus kann der Kugelradius und damit die Kugelmasse beeinflusst werden. Alle Kenngrößen werden in der oberen Bildhälfte angezeigt. In der unteren Bildhälfte werden die Stoßparameter vor und nach dem Stoß angezeigt.
Ergebnisdiskussion: Deutlich ist die Wirkung eines dezentralen Stoßes zu beobachten. Je weiter der Punkt des Zusammenstoßes vom Schwerpunkt entfernt ist, desto stärker ist die Rotation ausgeprägt. Keine Rotation ist zu beobachten, wenn die Schusslinie durch den Schwerpunkt des Stabes verläuft.
Allgemeine Aufgabe
Nun wollen wir die gerade gewonnenen Erkenntnisse verallgemeinern und auf beliebig geformte Objekte mit beliebigen Orten und Geschwindigkeiten anwenden. Der dezentrale Stoß an beliebig geformten Objekten muss vorab gleich eingeschränkt werden: führt die Form oder ein dezentrales Zusammenprallen zu einer Drehbewegung, dann erlaubt die Mathematik nur einen beliebig geformten Körper (). Ursache ist, dass ohne Trickserei bei zwei beliebig geformten Körpern vier unbekannte Variablen (2x Translation und 2x Rotation) aus nur drei unabhängigen Gleichungen (Impuls, Drehimpuls und Energie) zu berechnen wären. Deshalb verwenden wir eine Kugel als Stoßpartner, dann ist sicher gestellt, dass auf die Kugel kein Drehmoment während des Stoßes wirkt!
Stellvertretend für alle anders geformten Objekte werden wir die Berechnungen am
Beispiel eines Balkens mit den Abmessungen Länge l und Breite
b im Quadrat, der homogen verteilten Masse mBar,
der mit einer Kugel des Durchmessers D und der Masse
mBall kollidiert. Im Kollisionsmoment hat der Balken den
Geschwindigkeitsvektor vBar und die Rotationsgeschwindigkeit
ωBar während sich die Kugel mit dem
Geschwindigkeitsvektor vBall bewegt.
Aus den Abmessungen des Balkens und seiner Masse kann das Trägheitsmoment JBar gemäß berechnet werden.
Analog zu den Gleichungen bis stellen wir wieder die notwendigen, nun aber vollständigen, Gleichungssysteme für die Erhaltung von Energie, Impuls und Drehimpuls auf. Allerdings, da nun alle Geschwindigkeitsvektoren beliebige Einfallsrichtungen haben dürfen, gelten die Gleichungen für den Balken nur für die senkrecht auf der Oberfläche, bzw. bei der Kugel zentral wirkenden Geschwindigkeitskomponenten vZBar bzw. vZBall. Für die tangential wirkenden Geschwindigkeitskomponenten vTBar bzw. vTBall ergeben sich durch den Stoß keine Änderungen, wie bereits beim Thema Zwei Objekte stoßen zusammen ausgeführt.
Aus den Abmessungen des Balkens und seiner Masse kann das Trägheitsmoment JBar gemäß berechnet werden.
Analog zu den Gleichungen bis stellen wir wieder die notwendigen, nun aber vollständigen, Gleichungssysteme für die Erhaltung von Energie, Impuls und Drehimpuls auf. Allerdings, da nun alle Geschwindigkeitsvektoren beliebige Einfallsrichtungen haben dürfen, gelten die Gleichungen für den Balken nur für die senkrecht auf der Oberfläche, bzw. bei der Kugel zentral wirkenden Geschwindigkeitskomponenten vZBar bzw. vZBall. Für die tangential wirkenden Geschwindigkeitskomponenten vTBar bzw. vTBall ergeben sich durch den Stoß keine Änderungen, wie bereits beim Thema Zwei Objekte stoßen zusammen ausgeführt.
Abb. Koordinaten einer beliebigen Kollisionsanordnung (vor dem Stoß)
Nun kann das Stoßgeschehen, wie in der Vereinfachten Aufgabe beschrieben, für die Zentralkomponenten der Geschwindigkeiten durchgerechnet werden. Mit der Erweiterung, dass jetzt auch der Balken in Bewegung - translatorisch und rotatorisch - sein kann.
Unter den gegebenen Umständen lauten die Erhaltungssätze für die Zentralkomponenten:
()
und für die tangentialen Komponenten:
Eine Größe fehlt noch: der wirksame Hebelarm h ()
worin
und
bedeuten.
()
()
Abb. Der effektive Hebelarm h im Stoßmoment
Schließlich das Endergebnis für die Bewegung beider Objekte nach dem Stoß:
()
()
Abb. Nach dem Stoß
Wer es genau wissen will, die erforderlichen Zwischenschritte findest Du
im nebenstehenden Bücherstapel.
Zur Implementation ist eine ganz wichtige Anmerkung zu machen. Das Ausführen der Rotation ist im vorliegenden Fall nicht nur eine optisch erforderliche Maßnahme, sondern auch für den Kollisionsfall. Daher genügt es nicht, die Matrixbefehle (rotate() und translate()) zu verwenden, denn diese betreffen nur die Darstellung. Nein, die Rotation des Objektes muss auch "physisch" durchgeführt werden. Anderfalls könnten der Kollisionsort, die Winkel, unter denen die Kollision stattfindet, und die Stoß bedingte Rotationsgeschwindigkeit ω' nicht berechnet werden. Wie die "physische" Rotation durchgeführt wird, haben wir im Kapitel Polygone.
ausführlich besprochen.
Zur Implementation ist eine ganz wichtige Anmerkung zu machen. Das Ausführen der Rotation ist im vorliegenden Fall nicht nur eine optisch erforderliche Maßnahme, sondern auch für den Kollisionsfall. Daher genügt es nicht, die Matrixbefehle (rotate() und translate()) zu verwenden, denn diese betreffen nur die Darstellung. Nein, die Rotation des Objektes muss auch "physisch" durchgeführt werden. Anderfalls könnten der Kollisionsort, die Winkel, unter denen die Kollision stattfindet, und die Stoß bedingte Rotationsgeschwindigkeit ω' nicht berechnet werden. Wie die "physische" Rotation durchgeführt wird, haben wir im Kapitel Polygone.
ausführlich besprochen.
Im Beispielprogramm sind zwei Objekte, im Urzustand ein Balken und eine Kugel zu sehen. Diese Konstellation entspricht der oben besprochenen. Betätigen des linken Buttons wechselt den Balken in einen Stern und zurück, um auf diese Weise ein etwas komplizierteres Objekt zu erhalten. Dabei wird das Trägheitsmoment des Sterns JStar willkürlich auf 1/10 des Trägheitsmoments des Balkens JBar festgelegt.
Im Vorstart können die Lage der Kugel und die Orientierung des Balkens (blauer Griff) frei gewählt werden. Ebenfalls frei wählbar sind die Vektoren vBar und vBall durch Bewegen der Pfeilspitzen mittels Maus.
Neben dem Spielfeld befinden sich Angaben zu den Geschwindigkeitsvektoren vor und nach dem Stoß. Wenn die Vorgänge zu schnell gehen, kann mittels debug-Button der Vorgang bei jeder Kollision gestoppt und im Schrittbetrieb fortgesetzt werden. Im Schrittbetrieb wird auch der wirksame Hebelarm angezeigt.
Ergebnisdiskussion: Auch hier ist die Wirkung eines dezentralen Stoßes auf die Rotation des Körpers zu beobachten: je weiter der Punkt des Zusammenstoßes vom Schwerpunkt entfernt ist, desto stärker ist die Rotation. Wenn die Schusslinie durch den Schwerpunkt des Stabes verläuft, ist keine Rotation ist zu beobachten.