11. Kapitel
Das beweglich aufgehängte Pendel
Lösungsbeispiele für den LAGRANGEschen Formalismus
Die Anwendung des LAGRANGEschen Algorithmus ist das ideale Werkzeug zur Lösung komplexer physikalischer Anordnungen. In der Regel führt dies auf ein System verkoppelter, meist nichtlinearer, Differentialgleichungen. Nämlich dann, wenn die Elemente der Anordnung untereinander in Verbindung stehen und sich so gegenseitig beeinflussen. Eine analytische Lösung ist in fast allen Fällen ausgeschlossen, so dass nur numerische Lösungsverfahren in Frage kommen. Da aber alle physikalischen Größen irgendwie von einander abhängig sind, ist bei den gefundenen Lösungen stets auf die Stabilität und die zu erreichende Genauigkeit zu achten. Solche Betrachtungen werden im Kapitel Numerische Lösungsmethoden eingehender erörtert.Wagen mit Pendel
Das beweglich aufgehängte Pendel () ist schon nicht mehr ganz so einfach zu erfassen. Zwischen Wagen und
Pendel wird es augenscheinlich Wechselwirkungen geben, die die Bewegung beider
Objekte in nicht vorhersehbarer Weise beeinflussen.
Das Pendel hat, anders als bei den bekannten Standardbedingungen, keine starre Befestigung mehr. Der Drehpunkt des Pendels ist an einem in x-Richtung frei beweglichen Wagen der Masse mW befestigt. Einzig die vorhandene Rollreibung rW beeinflusst die Bewegung des Wagens auf der horizontalen Ebene. Als Reibungseinfluss für das Pendel wählen wir die STOKESsche Strömungsreibung rP wegen der zu erwartenden niedrigen Pendelgeschwindigkeit.
Zwangsbedingungen: In y-Richtung ist keine Bewegung, weder des Wagens noch - damit verbunden - des Drehpunktes, möglich. Für die Pendelmasse ist noch eine weitere Einschränkung wirksam, nämlich die Bindung an den starren Stab der Länge l, der die Masse mP an den Drehpunkt bindet.
Die erste Zwangsbedingung bedeutet, weil sich der Wagen nur horizontal auf der Unterlage bewegen kann, dass yW = const. ist.
Das Pendel hat, anders als bei den bekannten Standardbedingungen, keine starre Befestigung mehr. Der Drehpunkt des Pendels ist an einem in x-Richtung frei beweglichen Wagen der Masse mW befestigt. Einzig die vorhandene Rollreibung rW beeinflusst die Bewegung des Wagens auf der horizontalen Ebene. Als Reibungseinfluss für das Pendel wählen wir die STOKESsche Strömungsreibung rP wegen der zu erwartenden niedrigen Pendelgeschwindigkeit.
Zwangsbedingungen: In y-Richtung ist keine Bewegung, weder des Wagens noch - damit verbunden - des Drehpunktes, möglich. Für die Pendelmasse ist noch eine weitere Einschränkung wirksam, nämlich die Bindung an den starren Stab der Länge l, der die Masse mP an den Drehpunkt bindet.
Die erste Zwangsbedingung bedeutet, weil sich der Wagen nur horizontal auf der Unterlage bewegen kann, dass yW = const. ist.
()
Abb. Nicht fixiertes Pendel
Und die zweite Zwangsbedingung kann aus dem Satz des PYTHAGORAS hergeleitet werden:
Dadurch schränkt sich die Zahl der Freiheitsgrade auf zwei ein.
Mit der Transformation:
können die Variablen im System von kartesischen Koordinaten in
Polarkoordinaten und umgekehrt umgerechnet werden
(). Dabei definieren wir die Lage des Drehpunktes so,
dass yW = 0 ist.
()
Mit der Transformation:
(a)
(b)
Abb. Freiheitsgrade des nichtfixierten Pendels
Nun wenden wir den LAGRANGE-Formalismus an. Zunächst werden die Summen der kinetische () und der potentiellen () Energien berechnet:
()
()
()
Die Ableitungen der a) und
b) werden nach der Kettenregel gebildet, da es
sich hier um verschachtelte Funktionen handelt und φ(t) ebenfalls
eine Funktion der Zeit t ist:
In Anbetracht der später folgenden numerischen Lösung der
Differentialgleichungen verwende ich hier bereits die folgenden
Zusammenhänge zwischen der ersten Ableitung des Ortes
xW bzw. des Winkels φ nach der Zeit
und der Geschwindigkeit in x-Richtung vxW bzw. der
Winkelgeschwindigkeit ω:
on/off
()
()
Die rechte Seite von ergibt:
()
()
()
()
Die rechte Seite von ergibt:
()
Im nächsten Teilschritt muss jetzt die linke Seite, zunächst (partiell) nach der Winkelgeschwindigkeit ω abgeleitet werden:
Differenzieren von nach dφ ergibt
unter Beachtung des trigonometrischen Pythagoras
kann dieses Ergebnis stark vereinfacht werden:
()
on/off
()
()
Um den Einfluss nichtkonservativer Kräfte zu berücksichtigen, erweitern wir den LAGRANGEschen Formalismus um
-
die Reibungskraft
FRW, die auf die Wagenbewegung Einluss nimmt:
()
... und
-
die NEWTONsche Strömungsreibung (wir könnten aber abenso die STOKESsche Reibung zur Anwendung bringen!), die die Bewegung des Pendels abbremst. Hier setzt sich die Pendelgeschwindigkeit aus zwei Komponenten zusammen: der Pendelschwingung zuzüglich der Wagengeschwindigkeit. Allerdings nicht in Gänze, sondern nur der Teil vxW·cos(φ) , der in Richtung der Pendelgeschwindigkeit vP = ω·l verläuft ().
Auch hier wird die Richtungsabhängigkeit der Reibung durch das Vorzeichen der resultierenden Pendelgeschwindigkeit berücksichtigt (die NEWTONsche Strömungsreibung ist quadratisch von der Strömungsgeschwindigkeit abhängig - was zu einem Vorzeichenverlust führt - darum verwende ich hier den Trick der Quadrierung durch Produktbildung aus Betrag und vorzeichenbehafteter Geschwindigkeit - wodurch das Vorzeichen erhalten bleibt. Siehe hierzu auch das Kapitel "Strömungsreibung nach NEWTON", :
Abb. Reibungswirksame Pendelgeschwindigkeit
()
()
()
()
()
()
()
Im Beispielprogramm ist eine nichtfixierte Masse mWagen, an der ein ideales Pendel der Masse mPendel und der Länge l befestigt ist. Einstellbar sind die Pendellänge l, die Strömungsreibung am Pendel cw und die Rollreibung μr zwischen Wagen und Untergrund.
Hinweis: Die numerische Lösung verkoppelter Differentialgleichungen erfordert ein sehr viel genaueres Lösungsverfahren als das bisher von uns benutzte EULER-CAUCHY-Verfahren. Dessen Ungenauigkeiten führen bei solchen Anwendungen zu falschen und sogar instabilen Bewegungsverläufen. Deshalb wird im beigefügten Beispiel ein genauer arbeitendes Verfahren verwendet. Einzelheiten findest Du im Kapitel "Numerische Lösungsverfahren für Differentialgleichungen".