4. Kapitel
Einfluss der äußeren Reibung auf die Bewegung von Objekten
Reibung zwischen Festkörpern
Bewegung unter Einfluss der äußeren Reibung
Ein eindrucksvolles Beispiel für die Wechselwirkung von Haft- und Gleitreibung bietet die Bewegung auf der schiefen Ebene:Abb. Bewegung auf der schiefen Ebene unter Reibungseinfluss
Um den Einfluss der äußeren Reibung auf die Bewegung von Objekten zu untersuchen stellen wir uns vor, dass ein Quader der Masse m auf dem höchsten Punkt einer schiefen Ebene, die eine Neigung α aufweist, ruht.
Zunächst sei angenommen, dass seine Startgeschwindigkeit v0s = 0 ist. So ist klar, dass die Haftreibung wirkt. Die, damit der Körper in Bewegung kommen kann, überwunden werden muss.
Sehen wir uns die wirkenden Kräfte an. Einzige ursächliche Kraft ist das Gewicht G des Köpers. Entsprechend der Neigung der Schräge splittet sich diese Kraft in eine senkrecht zur Unterlage wirkende Kraft, die Normalkraft FN und die Hangabtriebskraft Fs. Die Hangabtriebskraft erhält ihren Namen Fs, weil sie in Richtung des Weges s orientiert ist.
Damit eine Bewegung möglich wird, muss die Haftreibungskraft überwunden werden. D.h. es muss gelten:
()
()
()
()
()
Andererseits bietet die Anwendung von eine Möglichkeit zur Bestimmung von Haftreibungskoeffizienten unbekannter Materialpaarungen, indem der kritische Winkel auf einer frei neigbaren schiefen Ebene gemessen wird.
Kräftebillanz
Wie wir weiter oben gesehen haben, folgen die unterschiedlichen Reibungskräfte dem gleichen Typ von Beziehung zwischen Normalenkraft FN und Reibkraft FR (siehe bis ). Darum genügt es, Bewegungen unter dem Einfluss von Haft- und Gleitreibung exemplarisch zu berechnen. Die Bewegung bei Rollreibung wird den gleichen Bewegungsgesetzen folgen!Für die Lösung unserer Aufgabe weist uns wieder das 3. NEWTON'sche Axiom den Weg: Zu jeder Kraft existiert eine gleich große Gegenkraft! Allgemein ausgedrückt lautet der Satz
Actio = Reactio
Wir ordnen also alle beteiligten Kräfte in dieses Schema ein. Unter Actio werden alle auslösenden Kräfte (das sind die Kräfte, die Energie bereit stellen - also die Hangabtriebskraft Fs) und unter Reactio die verbrauchenden Kräfte (also die Trägheitskraft FT und die Reibkraft FR) eingeordnet.
()
Wie wir das bereits bei der Untersuchung der reibungsfreien Bewegung auf der schiefen Ebene getan haben, wählen wir auch hier ein spezielles Koordinatensystem. Dieses hat nur eine Achse, den Weg s, der durch die Oberfläche der schiefen Ebene zwangsweise festgelegt ist. Wir berechnen also wieder s(t) und können dann mit den bereits beschriebenen Mitteln eine geeignete Darstellung für den sich bewegenden Körper wählen.
Übersetzen wir die Kräfte in ihre Kenngrößen, so wie wir das bereits bei der Aufstellung der Bewegungsgleichung des Freien Falls auf der Grundlage des 2. Newtonschen Axioms getan haben, erhalten wir die Differentialgleichung mit der Variablen s:
()
gibt die Realität aber nur zum Teil richtig wider. Wir müssen nämlich berücksichtigen, dass die Reibkraft immer der äußeren Kraft Fs entgegen wirkt. Wir wollen ja auch den Fall beschreiben, dass die Bewegung u.U. ihre Richtung umkehrt. Welche Bewegungsgröße gibt an, in welcher Richtung sich das Objekt bewegt? Richtig: die Geschwindigkeit, um genau zu sein, das Vorzeichen der Geschwindigkeit sign(v)! Die Funktion sign( ) gibt nur das Vorzeichen einer Variablen zurück. In unserem Fall trifft sie die Unterscheidung zwischen vorwärts bzw. rückwärts der Bewegung. Darum modifizieren wir und erhalten so
()
Schauen wir uns genauer an, so stellen wir fest, dass die Masse m aus der Gleichung gekürzt werden kann, also die Bewegung von der Masse unabhängig ist. Darin gleicht die Bewegung unter Reibungseinfluss der des freien Falls:
()
Ordnen und umstellen der Differentialgleichung nach der höchsten Ableitung:
()
Ausklammern der Erdbeschleunigungskonstante g macht die Verwandtschaft dieser Differentialgleichung zu der des Freien Falls deutlich:
()
Bewegung unter Einfluss der Festkörperreibung
Dank der Verwandtschaft der Differentialgleichung für die Bewegung auf der schiefen Ebene unter Reibungseinfluss mit der des Freien Falls können wir die Lösung der Differentialgleichung mit einigen Modifikationen übernehmen. So sah die Differenzialgleichung für den freien Fall () aus:
()
freilich haben wir es hier mit unterschiedlichen Koordinaten zu tun, aber das Prinzip ist das gleiche: in und in stehen die zweiten Ableitungen der Ortskoordinate Konstanten gegenüber. Beim Freien Fall ist dies die Erdbeschleunigungskonstante g () hier der komplexere Ausdruck
()
Ersetzen wir die Erdbeschleunigungskonstante des freien Falls -g nun durch den Ausdruck g' aus , so können wir mit der Substitution die Lösung analog zum Freien Fall übernehmen:
kann bei kleinen Neigungswinkeln α
der schiefen Ebene kann der Ausdruck für die Ersatzerdbeschleunigung negative Werte annehmen,
so dass eine Bewegung "bergauf" stattfinden könnte. Wollen wir überprüfen, ob dieser Fall eintreten kann!
Dazu betrachten wir eine Konstellation, bei der die Schiefe Ebene im kritischen Winkel αkrit
geneigt ist. Bei kleineren Winkeln kann bekanntlich aus Gründen der Haftreibung keine Bewegung in Gang kommen. Überprüfen wir also, ob die rechte Seite von negative Werte annehmen kann. Dabei gehen wir davon aus, dass die bewegung gegenläufig zur Hangabtriebskraft erfolgt, das sign(v) = 1 ist:
?
worin laut
Unter Verwendung der trigonometrischen Beziehungen
und
Vereinfacht sich und es zeigt sich, dass
weil stets !
geneigt ist. Bei kleineren Winkeln kann bekanntlich aus Gründen der Haftreibung keine Bewegung in Gang kommen. Überprüfen wir also, ob die rechte Seite von negative Werte annehmen kann. Dabei gehen wir davon aus, dass die bewegung gegenläufig zur Hangabtriebskraft erfolgt, das sign(v) = 1 ist:
?
worin laut
Unter Verwendung der trigonometrischen Beziehungen
und
Vereinfacht sich und es zeigt sich, dass
weil stets !
()
on/off
Ergebnisdisskusion
- Auch unter Reibungseinfluss gelten für die beschleunigte Bewegung eines Körpers auf der schiefen Ebene die gleichen Bewegungsgesetze wie ohne Berücksichtigung der Reibung.
- Die Ersatzbeschleunigung g' () ist stets kleiner als die Erdbeschleunigung g. Sie hängt sowohl vom Neigungswinkel α als auch vom Gleitreibungskoeffizienten μG ab. Die Größe des Haftreibungskoeffizienten μH hat keine Auswirkung auf die Beschleunigung sondern nur auf den kritischen Winkel αkrit.
-
Die Ersatzbeschleunigung g' () kann bei kleinen
Neigungswinkeln α negative Werte annehmen. Das könnte theoretisch
zu einer fälschlichen "Bergauffahrt" führen ().
Wie im obigen Geistesblitz
ausgeführt, kann wegen μH > μG
trotz negativer Ersatzbeschleunigung g' keine Bewegung beginnen.
Aber aus der Bewegung heraus, wenn die Haftreibung bereits überwunden worden ist, kann eine
negative Ersatzbeschleunigung zu einem falschen Verhalten führen!
Dies zu vermeiden, kann der Wert für sign(v) = 0 gesetzt werden, wenn der
zu erwartende Geschwindigkeitszuwachs im aktuellen Zeitintervall größer als der Betrag der
aktuellen Geschwindigkeit v ist (). Solche Fälle
treten ein, wenn die Bewegung eine Richtungsumkehr ausführt oder die Bewegung fast zum Stillstand gekommen ist.
Dies ist bei der programmtechnischen Umsetzung unbedingt zu berücksichtigen!
Abb. Winkelabhängigkeit der Beschleunigung
- Obwohl für die Rollreibung nahezu identische Reibungsbeziehungen gelten, kann die hier hergeleitete Bewegungsgleichung nur bedingt auf rollende Güter auf der schiefen Ebene angewendet werden. Grund hierfür ist die zur translatorischen Bewegung auftretende rotatorische Bewegung beim rollenden Rad.
Der Programmauszug in zeigt die Wechselwirkung von Haft- und Gleitreibung:
- Die Haftreibung wirkt nicht, wenn der Neigungswinkel größer als der kritische Winkel ist oder das Objekt bereits in Bewegung ist.
- Die Bewegung wird gestoppt, wenn die Geschwindigkeit unter einen Grenzwert sinkt.
- Die Bewegung wird auch gestoppt, wenn ein Richtungswechsel statt fand und die Neigung der Ebene kleiner als der kritische Winkel αkrit ist.
- Final wird die Bewegung beendet, wenn das Objekt einen der beiden Endpunkte der schiefen Ebene erreicht hat.
Abb. Programmausschnitt - Berechnung der Bewegung
Für die Lösung der Differentialgleichung setze ich hier den einfachen
EULER-CAUCHY-Algorithmus für
eine numerische Lösung ein, weil nur so eine interaktive Betätigung der schiefen Ebene möglich ist.
Im Programmbeispiel können drei Parameter per Schieberegler gewählt werden:
1. Gleitreibungs- und Haftreibungskoeffizient. Dabei ist zu beachten, dass der Gleitreibungskoeffizient stets einen kleineren Wert als der Haftreibungskoeffizient haben muss!
2. Startgeschwindigkeit. Hier kann eine Aufwärts- aber auch Abwärtsbewegung gewählt werden.
Beachte die Abhängigkeit der Gleitgeschwindigkeit von der Wahl des Gleitreibungskoeffizienten (Zeitangabe für die Gleitdauer!).
1. Gleitreibungs- und Haftreibungskoeffizient. Dabei ist zu beachten, dass der Gleitreibungskoeffizient stets einen kleineren Wert als der Haftreibungskoeffizient haben muss!
2. Startgeschwindigkeit. Hier kann eine Aufwärts- aber auch Abwärtsbewegung gewählt werden.
Beachte die Abhängigkeit der Gleitgeschwindigkeit von der Wahl des Gleitreibungskoeffizienten (Zeitangabe für die Gleitdauer!).
Achtung! besondere Beachtung verdient der Fall, dass sich ein gleitendes oder rollendes Objekt auf einer horizontalen Ebene bewegt, also α = 0 ist. Ein solcher Fall tritt ein, wenn z.B. ein Ball von der schiefen Ebene auf eine horizontale Ebene aufrollt. Dann nämlich ist, obwohl g' = 0 ist, die durch die Reibung bedingte Gegenkraft μG·g·cos(α) ≠ 0 mathematisch noch immer wirksam und kann je nach Richtung der Bewegung auch negativ werden. Beides ist auf einer nichtgeneigten Ebene in der Realität unmöglich! Die Schwierigkeit bei der Implementierung in einem Programm besteht darin, dass durch die Zeitdiskretisierung der Punkt des Stillstandes kaum getroffen werden kann. Die Folge ist ein fortlaufender Wechsel zwischen positiver und negativer Richtung bei, wenn auch kleinen, Geschwindigkeiten.
Es muss also vom Programm gewährleistet werden, dass bei kleinen Geschwindigkeiten der Einfluss der Reibkraft verhindert wird. Kriterium hierfür ist der Anteil der Reibkraft an der Geschwindigkeitsänderung je Zeitintervall. Das entspricht genau der Unschärfe, die von der Zeitdiskretisierung, durch die Größe des Zeitquants dt bestimmt, hervor gerufen wird.
Damit erhalten wir eine allgemein gültige Entscheidungsanweisung für die Wahl des Vorzeichens sign:
()
Abb. Programmausschnitt - Vorzeichenbestimmung für die Wirkung der Reibkraft
Im Programmbeispiel wird aus optischen Gründen mit einem rollenden Ball gearbeitet. Es können zwei Parameter per Schieberegler
gewählt werden:
1. der Rollreibungskoeffizient. Dabei ist zu beachten, dass der Wert des Rollreibungskoeffizienten so gewählt wird, dass stets erfüllt sein muss! Andernfalls würde eine Bewegung infolge der Reibung einsetzen, was aber unsinnig ist! Um dies zu vermeiden ist die Objektgeschwindigkeit v = 0 zu setzen.
2. Startgeschwindigkeit. Hier kann eine Aufwärts- aber auch Abwärtsbewegung gewählt werden.
Beachte die Abhängigkeit des Signums von der Wahl der Anfangsgeschwindigkeit bzw. am Ende der Bewegung auf der Horizontalen. Über die Bewegung des Balls in der Ecke (also dem Übergang zwischen benachbarten Segmenten) findest Du im Kapitel Bewegung auf Polygonen mit konkaven Ecken näheres.
1. der Rollreibungskoeffizient. Dabei ist zu beachten, dass der Wert des Rollreibungskoeffizienten so gewählt wird, dass stets erfüllt sein muss! Andernfalls würde eine Bewegung infolge der Reibung einsetzen, was aber unsinnig ist! Um dies zu vermeiden ist die Objektgeschwindigkeit v = 0 zu setzen.
2. Startgeschwindigkeit. Hier kann eine Aufwärts- aber auch Abwärtsbewegung gewählt werden.
Beachte die Abhängigkeit des Signums von der Wahl der Anfangsgeschwindigkeit bzw. am Ende der Bewegung auf der Horizontalen. Über die Bewegung des Balls in der Ecke (also dem Übergang zwischen benachbarten Segmenten) findest Du im Kapitel Bewegung auf Polygonen mit konkaven Ecken näheres.
Ergebnisdiskussion: Beim Übergang von der Schräge auf die Horizontale erfolgt eine Übergabe der Bewegungsparameter. Dabei wird die Geschwindigkeit v von der Schräge in die Horizontale übernommen. Dies ist möglich, weil die Lösung der Bewegungsgleichungen mittels numerischer Integration (EULER-CAUCHY) erfolgt. Dann ist die Endgeschwindigkeit der Schräge gleich der Anfangsgeschwindigkeit auf der Horizontalen. Da sich der Winkel α beim Übergang ändert, ändern sich auch die effektive Beschleunigung g' und die Darstellung der Bewegung.
Auf der Horizontalen ist g' = 0, daher wirkt nur der bremsende Einfluss der Rollreibung. Was endlich dazu führt, dass der Ball zum Stillstand kommt (sign = 0 und v = 0). Unbenommen davon ist die Behandlung des Richtungswechsels im Fall einer negativen Anfangsgeschwindigkeit. Hier rollt der Ball zunächst die Schräge hinauf, um dann infolge der Erdbeschleunigung wieder hinab zu rollen. Dabei kann auch die Situation sign = 0 und v = 0 eintreten. Das bleibt aber ohne Wirkung auf die gesamte Bewegung, weil sich die Gravitationswirkung auf der Schräge - anders als auf der Horizontalen - durchsetzt.