5. Kapitel
Feder-Masse-Systeme - Eigenschaften und Verhalten
Feder - Masse - Reibung
Feder-Masse-Systeme sind in unserer Umwelt weit verbreitet. Ihrer Eigenschaften und ihr Verhalten sind daher wichtige Bestandteile der Spieleentwicklung!
Betrachten wir also eine Anordnung bestehend aus Feder und Masse. Unser "Laboratorium" befindet sich wieder im Kräfte freien Raum, daher ist die Orientierung der Feder-Masse-Anordung im Raum beliebig und wir wählen wieder das s-Koordinatensystem mit nur einem Freiheitsgrad.
Wie Abb. zeigt ist die Feder der Federkonstante n einseitig fixiert, so dass eine von rechts wirkende Kraft F die Feder je nach Vorzeichen der Kraft zusammen pressen oder auch dehnen kann. An der anderen Seite der Feder ist eine Masse m befestigt. Jede Bewegung der Masse wird so der Feder mitgeteilt. Ohne Krafteinwirkung habe die Feder eine Ruhelänge l0, während die Längenänderung der Feder durch die Ortskoordinate s beschrieben wird. Für die Darstellung der Feder-Masse-Anordnung ist also die Summe l0 + s für die Orte der Masse und des rechten Endes der Feder wirksam!
Abb. Feder-Masse-Anordnung
Die dämpfende Wirkung entsteht durch Strömungsreibung beim Pressen der Stoßdämpferflüssigkeit durch enge Kanäle, die sich im Kolben des Stoßdämpfers befinden.
on/off
Was die aber nicht zeigt, ist dass auch in dieser Anordnung eine Reibung wirkt. Sei es, dass die Masse m bei ihrer Bewegung die innere Reibung zwischen den Luftmolekülen überwinden muss oder die inneren Prozesse der Federdehnung oder -stauchung zu Energieverlusten führt. Diese Reibung berücksichtigen wir durch ein Reibungselement mit der Reibzahl r (in grau dargestellt). Die Reibzahl r steht stellvertretend für alle Reibungsarten, die linear von der Geschwindigkeit abhängig sind (z.B. STOKESsche Reibung).
weist auf die Kräfteverteilung in der Feder-Masse-Reibungsanordnung, die in als Kräftegleichgewicht ihren Niederschlag findet:
()
Abb. Feder-Masse-Reibung-Anordnung
Aufstellen der Differentialgleichungen
Differentialgleichung ohne Gravitationseinfluss
Wieder entwickeln wir aus dem Kräftegleichegwicht () die Differentialgleichung, indem jede Komponente des Kräftegleichgewichts durch die entsprechende Bewegungsgleichung ersetzt wird. Wegen der zu erwartenden relativ geringen Geschwindigkeiten, die die Masse m in einer Feder-Masse-Anordnung haben, entscheiden wir uns zunächst für die STOKESsche Reibung, die ein lineares Verhältnis zwischen Geschwindigkeit v und Reibungskraft FR auszeichnet. Die Wirkung der Strömungsreibung berücksichtigen wir mit dem Reibungskoeffizienten r ():
()
Zunächst schauen wir uns wieder die Lösung der homogenen Differentialgleichung, d.h. ohne Einfluss einer äußeren Kraft, wie z.B. der Gravitation an:
()
m kann wieder auf beiden Seiten der gekürzt werden und wir erhalten so die homogenen Differentialgleichung:
()
Die analytische Lösung der Aufgabe findest Du im Kapitel Lösungsmethoden für Differentialgleichungen 2. Ordnung.
Mit der bekannten Substitution und bereiten wir die numerische Lösung nach dem EULER-CHAUCHY-Verfahren vor.
Umstellen von in die Normalform
()
aus kann direkt auf die rekursive Rechenvorschrift zur numerischen Lösung der Bewegungsaufgabe geschlossen werden:
()
Die Integrationsreihenfolge nach entspricht der Reihenfolge, wie sie auch bei der analytischen Lösung der Differntialgleichung stattfinden würde. Bei einer rekursiven (numerischen) Lösung ist diese Reihenfolge aber nicht zwingend! Die hier angewendete Vorgehensweise ist direkt aus der Definition des Differentials ableitbar. Dieses Verfahren in seiner einfachensten Form wird (symplektisches) EULER-CAUCHY-Verfahren genannt.
Zu Beginn der Rekursion stehen sowohl die Ortskoordinate s0 als auch die Geschwindigkeitskomponente v0 als Startwerte zur Verfügung. Es kann also ohne weiteres auch mit der Berechnung der aktualisierten Ortkoordinate si begonnen werden, um dann mit dieser aktualisierten Größe die neue Geschwindigkeit zu berechnen (). Mit der nächsten Rekursion wird die Integration fortgesetzt und das Henne-Ei-Problem ist obsolete. Diese Variante hat im Fall des Feder-Masse-Reibungssystems den Vorteil größerer Realitätsnähe. Denn mit der Ortsänderung ist ja eine Kraftänderung verbunden, die ihrerseits auf die Beschleunigung und damit auf die Geschwindigkeit wirkt. Und wie das Programmbeispiel unten zeigt, führt diese Integrationsreihenfolge auf relativ genaue und vor allem stabile Rechenergebnisse, was der Vergleich mit der exakten Lösung beweist. Im Kapitel Einführung in die numerische Lösung von Differentialgleichungen werden wir diese Thematik noch ausführlicher besprechen.
()
Siehe hierzu auch , welche die Implementierung sowohl der analytischen wie auch der numerischen Lösung zeigt. Die Variablen der numerischen Lösung sind durch s_ bzw. v_ gekennzeichnet.
Ersetzen wir nun noch die Quotienten r/m und n/m durch physikalisch begründete Abkürzungen
()
und
()
(Zur Erinnerung: Die sog. Kreisfrequenz gemessen in entspricht dem überstrichenen Phasenwinkel einer Schwingung pro Sekunde, anders als die Frequenz, die in gemessen wird und die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde angibt.)
()
Die Begründung für die Wahl und Bezeichnung der Abkürzungen findest Du im Kapitel Lösungsmethoden für Differentialgleichungen 2. Ordnung.
Abb. Implementierung der analytischen und numerischen Lösung
Wie aus hervorgeht, ist die Eigenfrequenz
f0 des Feder-Masse-Systems nur von den Materialgrößen
Masse m und Federkonstante n abhängig. Der Angabe
der Frequenz in f [Hz] steht die Angabe der Kreisfrequenz
ω [s-1] gegenüber. In Berechnungen der Mathematik
oder Physik ist deren Verwendung zwingend!
Die Periodendauer T = f-1 einer solchen Schwingung kann also gut als Zeitnormal dienen. In vergangenen Zeiten fand die Unruh in den meisten Uhren als stabiler Schwingungsgeber Verwendung.
Die Periodendauer T = f-1 einer solchen Schwingung kann also gut als Zeitnormal dienen. In vergangenen Zeiten fand die Unruh in den meisten Uhren als stabiler Schwingungsgeber Verwendung.
on/off
- δ ist die Dämpfung gemessen in s-1,
- f0 die Eigen- oder Resonanzfrequenz gemessen in Hz bzw.
- ω0 die Kreisresonanzfrequenz gemessen in s-1
Beachte: Die Wahl des Begriffes Frequenz weist schon darauf hin, dass ein solches System zum Schwingen neigt, aber nicht zwingend schwingen muss. Ist nämlich δ2 < ω2 findet ein periodischer Wechsel zwischen der potentiellen Energie, die in der Federspannung gespeichert vorliegt, und der kinetischen Energie, die in der Bewegung der Masse steckt, statt (Schwingfall). Allerdings wird infolge der Reibung stets Bewegungsenergie in Wärme umgewandelt, so dass die Schwingungsamplitude von Zyklus zu Zyklus geringer wird. Ist hingegen δ2 ≥ ω2 wird schon beim ersten Entspannen der Feder so viel Bewegungsenergie in Wärme umgesetzt, dass es zu keinem Überschwingen kommen kann (Kriechfall). Nun gibt es noch den aperiodischen Grenzfall, dann nämlich, wenn δ2 = ω2 ist.
Im Beispielprogramm werden die Schwingungs-Grafen im Vergleich analytische-/numerische Lösung gezeigt. Die Anzeige erfolgt prozentual bezogen auf die Startschwingungsamplitude s0.
Zunächst ist die Feder vollständig entspannt. Dies zeigt der semkrechte Strich, der die Ruhefederlänge l0 markiert. Durch Ziehen mit der Maus wird die Feder gespannt (oder zusammen gedrückt). Mit Betätigung des START-Buttons wird die Masse "losgelassen". Damit wird das Feder-Masse-System sich selbst überlassen, so wie es die homogene Differentialgleichung zur Voraussetzung macht. Die Feder entspannt sich und beschleunigt damit die Masse, womit der Schwingungsvorgang einsetzt.
Ergebnisdiskussion: Der Vergleich der analytischen Lösung (blau) mit der numerischen Lösung (rot) zeigt, dass wenigstens in kürzeren Beobachtungszeiten oder niedrigen Resonanzfrequenzen eine gute Übereinstimmung zeigt. Dank der symplektischen Lösung ist die numerische Lösung stabil. Deutlich ist der Energieverlust über der Zeit zu beobachten, der sich durch ein exponentielles Abklingen der Amplitude zeigt.
Wird die Dämpfung erhöht, zeigt es sich, dass die Schwingung in den aperiodischen Fall übergeht. Mit viel Gefühl, kann auch der aperiodische Grenzfall mit dem Dämpfungsregler eingestellt werden.